Das Leben dort war schrecklich. Es gab wenig zum Essen, man musste andauernd hart Arbeiten, 12 Stunden am Tag.
ISAK KOENKA
ISAK KOENKA (1913-1989)
Isak Koenka ist Angestellter einer Ölgesellschaft. 1942 muss er sich zur Zwangsarbeit registrieren; im März 1943 wird er nach Karya verschleppt. Kurz bevor das Lager Anfang August 1943 geräumt wird, flieht er, um der Deportation zu entgehen. Koenka versteckt sich in Athen, wird jedoch am 24. März 1944 entdeckt und nach Auschwitz deportiert. Er überlebt und kehrt nach Thessaloniki zurück. 1954 verfasst er für die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki den ersten Bericht über die Zwangsarbeit in Karya.
Es gab für jeden von uns eine leere Konservendose als Essgeschirr und eine weitere zum Pinkeln, denn nachts durften wir die Baracke nicht verlassen.
SAM NACHMIAS
SAM NACHMIAS (1920-2016)
Sam Nachmias arbeitet in der Bäckerei seines Vaters im Zentrum Thessalonikis. 1943 muss er mit seiner Familie in ein Ghetto übersiedeln, bald darauf wird er mit einem Sammeltransport nach Karya verschleppt. Bei der Arbeit wird er schwer verletzt. Ausnahmsweise wird er in einem Krankenhaus in Lamia behandelt. Eine Krankenschwester organisiert ein Versteck in der Bäckerei der Familie Morikis. Sam Nachmias hilft im Laden mit und überlebt. 1946 heiratet er die Auschwitz-Überlebende Sara Sarfati.
Es war die Hölle da drüben. Nur Schläge, ständige Schläge, und schnell arbeiten. … Die Felsen waren wie Klingen.
SAM COHEN
SAM COHEN (1920-2016)
Sam Cohen arbeitet bei einer Importfirma in Thessaloniki, die unter anderem deutsche Pharmaunternehmen vertritt. Aufgrund dieser Arbeit wird er nicht wie mehrere Tausende andere jüdische Männer im Juli 1942 zur Zwangsarbeit eingesetzt. Doch Mitte April 1943 wird auch er zusammen mit seinem Freund Tzako Karasso nach Karya verschleppt. Nach einem Monat fliehen die beiden und schließen sich ELAS-Partisanengruppen an. Beide überleben und kehren 1945 nach Thessaloniki zurück. 1951 emigriert Sam Cohen in die USA.
Die deutschen Wachposten kamen und trafen meinen Freund Tzako mit dem Gewehrkolben genau am Hinterkopf, und er fiel von der Rampe auf die Bahngleise. Er schlug sich alle seine Vorderzähne aus.
Aussage von Sam Cohen
TZAKO KARASSO
TZAKO KARASSO (1922-1990)
Iakovos (Tzako) Karasso arbeitet ab 1940 in der Färberei seines Vaters in Thessaloniki. 1943 verschleppen ihn die Deutschen nach Karya. Dort muss er im Bergeinschnitt arbeiten. Mit seinem Freund Sam Cohen flieht er eines Nachts. Sie gelangen mit Hilfe von Dorfbewohner:innen zu den Partisan:innen. Bis Kriegsende kämpft er gegen die Besatzer. Danach arbeitet er wieder als Färber in Thessaloniki. 1950 heiratet er und wird Vater von zwei Kindern.
Ich konnte meinen beiden Brüdern helfen … ich konnte etwas vom Hundefutter nehmen und es meinen Geschwistern geben.
Aussage seines Bruders Schmuel Arditti
VENIAMIN ARDITTI
VENIAMIN ARDITTI (1921 – 1943)
Veniamin Arditti wächst mit fünf Geschwistern in Thessaloniki auf. Nach der Schule studiert er Physik. 1942 werden er und seine zwei Brüder Jakob und Schmuel zur Zwangsarbeit verpflichtet. Anfang April 1943 muss die Familie Arditti ins Baron-Hirsch Ghetto umziehen. Kurz darauf werden Veniamin und seine Brüder nach Karya deportiert. Er überlebt die Zwangsarbeit, ist jedoch krank und völlig entkräftet. Am 10. August transportiert die SS die Arditti-Brüder nach Auschwitz. Veniamin wird sofort nach der Ankunft in einer Gaskammer ermordet.
Wir mussten 200 Kilo schwere Steine tragen. Die deutschen Wachen … schlugen uns ohne Gnade. Schon in der ersten Nacht töteten sie zwei junge Männer.
SCHMUEL ARDITTI
SCHMUEL ARDITTI (1924 – 1977)
Schmuel Arditti und seine Geschwister leben bei ihren Eltern. Bereits im Juli 1942 muss er Zwangsarbeit leisten. Im April 1943 werden er und seine zwei Brüder nach Karya deportiert. Schmuel muss dem Bauleiter bei Messungen helfen und dessen Unterkunft reinigen. Es gelingt ihm, von dort Hundefutter zu stehlen, das er und seine Brüder vor lauter Hunger essen. Die Geschwister werden am 10. August 1943 nach Auschwitz deportiert. Schmuel überlebt und wird in Pruszków, in der Nähe von Warschau, befreit.
Schon bei dem Anblick der Gesichter derer, die zwei Monate zuvor angekommen waren, wurden uns die schrecklichen Qualen bewusst. Sie waren erschöpft, abgemagert, schmutzig und mit Wunden übersät.
DAVID BROUDO
DAVID BROUDO (1924 – 2012)
David Broudo stammt aus einer großen religiösen sephardischen Familie in Thessaloniki. In Karya arbeitet er in der Küche und kommt so an lebensrettende Nahrungsmittel. Mitte Juni 1943 flieht er mit seinem Freund Roberto Mitrani: Sie besteigen einen Zug und schließen sich einer ELAS-Partisaneneinheit an. 1946 – während des Bürgerkriegs in Griechenland – verurteilt ihn ein griechisches Strafgericht zum Tode: Ihm wird vorgeworfen, einen Kollaborateur erschossen zu haben. Das Urteil wird nicht vollstreckt, aber David Broudo 1955 nach Israel abgeschoben.
Mein Cousin wurde vor meinen Augen im Wald getötet, er konnte nicht mehr arbeiten … er war wie ich 19 Jahre alt.
Aussage von David Broudo
ALBERTOS LEVI
Die Perspektive der Zwangsarbeiter
Die historischen Fotos dokumentieren die Ankunft der verschleppten Männer aus Thessaloniki. Doch sie zeigen nur den Blick der deutschen Täter. In Nachkriegsinterviews beschreiben die Überlebenden ihren Schrecken bei Ankunft in Karya und die furchtbaren Lebensumstände dort. Die Graphic Novel versucht, ihre Perspektive abzubilden.
Graphic Novels als Ergänzung
In Bezug auf die Überlieferung historischer Ereignisse gibt es ein Ungleichgewicht: Fotografiert haben meist nur die Täter. Bei der Erarbeitung der Ausstellung war daher die Frage zentral: Wie können wir die Perspektive der jüdischen Zwangsarbeiter und ihre Erfahrungen stärker abbilden? Mittels Illustrationen und Graphic Novel-Elementen wird sichtbar gemacht, wozu es kein Bildmaterial gibt.